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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 19.03.2013


Entgeltgleichheits-Check. Landeseigene Unternehmen auf dem Prüfstand
Lou Zucker

Die Berliner Wasserbetriebe können Null Prozent Entgeltungleichheit vorweisen. Mit der Entscheidung, den "EG-Check" überhaupt durchzuführen, steht das Unternehmen allerdings allein auf weiter Flur.




Rechtzeitig zum Equal Pay Day 2013 veröffentlichten die Berliner Wasserbetriebe am 18. März die scheinbar makellosen Ergebnisse einer Untersuchung zur Entgeltungleichheit: Das Unternehmen konnte einen Gender Pay Gap von Null Prozent vorweisen. Gleichwertige Arbeit, so fand Sarah Lillemeier vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung heraus, werde bei den Wasserbetrieben tatsächlich gleich bezahlt.

Dieser begrüßenswerte Befund wird überschattet von der Tatsache, dass der Vorstand des Unternehmens aus vier Männern besteht und Sonderzuschläge überwiegend an männlich dominierte Berufsgruppen gehen, was den durchschnittlichen Bruttostundenlohn wiederum ins Ungleichgewicht bringt. Was aber noch weitaus ärgerlicher ist: Wieso sind die Berliner Wasserbetriebe mit ihren verhältnismäßig guten Zahlen mit das einzige Unternehmen, welches sich überhaupt dem "EG-Check" (Entgeltgleichheits-Check) unterzogen hat?

BVG will Zahlen nicht veröffentlichen

Susanne Stumpenhusen, Mitglied der ver.di-Landesbezirksleitung, gab auf der Pressekonferenz zum Thema an, die BVG (Berliner Verkehrsbetriebe) habe die Untersuchung bereits durchführen lassen, die Ergebnisse allerdings nicht veröffentlicht. Der BSR (Berliner Stadtreinigung) stehe eine solche Prüfung der Entlohnungsstruktur unmittelbar bevor. Dilek Kolat, Berliner Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen kündigte an, sie wolle auch ihre Senatsverwaltung dem "EG-Check" unterziehen. Weder Stumpenhusen noch der Leiterin der Untersuchung Lillemeier waren jedoch weitere Unternehmen bekannt, die das Prüfungsinstrument bereits angewandt hätten.

Die Leistungsgewährungsverordnung des Berliner Abgeordnetenhauses sieht vor, dass sich alle Stellen, die freiwillige Leistungen aus Landesmitteln ab einem Betrag von 25 000 Euro vergeben oder empfangen, zu Frauenförderungsmaßnahmen zu verpflichten haben. Eine von vielen in dem entsprechenden Antragsformular aufgeführten Maßnahmen ist die "Überprüfung der Entgeltgleichheit (...) mithilfe anerkannter und geeigneter Instrumente". Zu welchen und wie vielen dieser Maßnahmen sich die empfangenden Stellen letztendlich verpflichten, ist in der Verordnung allerdings nicht bestimmt. Es ist also weiterhin möglich, öffentliche Zuwendungen zu empfangen, ohne die Entgeltgleichheit im eigenen Unternehmen überprüfen zu lassen und vor allem, ohne rechtlich dazu verpflichtet zu sein, aus den Ergebnissen einer solchen Untersuchung Konsequenzen zu ziehen. In der Privatwirtschaft, die keine Mittel aus der Landeskasse empfängt, bleibt der "EG-Check" auch zum diesjährigen Equal Pay Day eine rein freiwillige Angelegenheit.

Wissenschaftlich Diskriminierung aufdecken

Die Lohnlücke, so Dilek Kolat am Montag, betrüge in Berlin 15 Prozent, im Bundesdurchschnitt immer noch 21 Prozent. Als einige der vielfältigen Ursachen nannte die Senatorin die häufigere Teilzeitbeschäftigung von Frauen, die schlechtere Bezahlung in traditionellen Frauenbranchen, die Unterrepräsentiertheit von Frauen in Führungspositionen (derzeit 8 Prozent in DAX-Unternehmen) und die Tatsache, dass Bonizahlungen seltener an Frauen gingen. Dem Internetauftritt des "EG-Checks" zufolge könnten Arbeitsmarktsegregation und Teilzeitarbeit zusammen nur ein Drittel der Gender Pay Gap erklären. Der Rest ließe auf Diskriminierung in der Bezahlung schließen.

Um diese aufzudecken, wurde 2010 der "Entgeltgleichheits-Check" von den Gleichstellungsexpertinnen Dr. Karin Tondorf und Dr. Andrea Jochmann-Döll mit Förderung der Hans-Böckler-Stiftung entwickelt. Das wissenschaftliche Prüfungsinstrument nimmt sowohl die schriftlichen Entgeltregelungen als auch die betriebliche Entlohnungspraxis unter die Lupe. Im Falle der Berliner Wasserbetriebe untersuchte Sarah Lillemeier einerseits den Tarifvertrag auf Diskriminierungspotential und verglich andererseits das Grundentgelt verschiedener Frauen- und Männerdominierter Berufsgruppen innerhalb des Betriebs. So prüfte sie unter anderem die Gleichwertigkeit der Arbeit von Küchenwirtschafts- und Kanalfacharbeiter_innen anhand der Kriterien Qualifikation, soziale Kompetenzen, physische Anforderungen und Verantwortung.

Unterlagen zur Durchführung des "EG-Checks" stehen im Internet frei zum Download zur Verfügung. Die Überprüfung der Entgeltgleichheit mit diesem vom Berliner Abgeordnetenhaus empfohlenen Instrument ist für Unternehmen also kostengünstig und niedrigschwellig. Ob es in Zukunft auch häufiger wahrgenommen wird, hängt unterdessen weiterhin vom öffentlichen Druck ab – und davon, inwiefern Unternehmen wie die Berliner Wasserbetriebe ihre relativ guten Zahlen, welche eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollten, als Aushängeschild benutzen können.


Weitere Infos unter:

www.eg-check.de

Leistungsgewährungsverordnung, Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin


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Beitrag vom 19.03.2013

AVIVA-Redaktion